Interview mit Frau Hanfstingl-Kariger
Wie würden Sie die Aufgaben und Ziele der Initiative Schreiben erklären?
Als eingetragener und als gemeinnützig anerkannter Verein hat die Initiative Schreiben e.V. satzungsgemäß eine einzige Aufgabe: Die Förderung der Handschrift in jeglicher Weise: Durch Unterstützung vor Ort, Workshops, Veröffentlichungen, Anregungen, Unterstützung wissenschaftlicher Untersuchungen usw.
Grundsätzlich kann jeder Mensch und jede Institution/jedes Unternehmen, das diese Intentionen teilt, bei uns Mitglied werden.
Wer und wie viele Teilnehmer nehmen an Ihren Veranstaltungen und Aktionen teil?
Die Spannbreite ist groß: Sie reicht von 5 (bei Kreativ-Workshops in Papeterien vor Ort) bis zu 200 (z.B. bei Vorträgen zum Thema Handschrift vor Eltern oder in Schulen).
Das aktuell gefertigte Schreibheft ist das dritte seiner Art, wer erhält eines bzw. wo kann man eines beziehen?
Zunächst erhalten alle Beteiligte das Heft kostenlos (je 1 Ex). Ebenso beteiligte Institutionen und die Vollmitglieder der Initiative. Gegen eine Gebühr von 10 € plus Versandkosten ist das Heft bei der Initiative beziehbar und kann per Mail unter info@initiative-schreiben.de bestellt werden. Zur Zeit sind Überlegungen da, das Heft interessierten zeitgeschichtlichen Museen in Deutschland zur Verfügung zu stellen.
Was können Leser von dem aktuellen Schreibheft erwarten?
Das Schreibheft ist zum einen eine zeitgeschichtliche Dokumentation der Befindlichkeit von Menschen in den Zeiten der Pandemie und damit ein Erinnerungsmedium. Zudem werden sich viele Menschen mit ihren Befindlichkeiten darin spiegeln und entdecken, dass es ihnen ähnlich gegangen ist. Vielleicht ist das noch im Nachhinein eine Entlastung.
Das Thema in diesem Jahr lautet “Frieden” – Aktualität der Themen ist Ihnen immer wichtig, nicht wahr?
Der für die wohl meisten Menschen in Deutschland überraschen Krieg in der Ukraine macht deutlich, wie sehr Frieden ein Wollen braucht und nicht einfach da ist. Das gilt nicht nur für das Verhältnis von Nationen/Ländern zueinander, sondern auch für Gruppen innerhalb einer Gesellschaft und für Einzelne im Umgang miteinander. Daran wollen wir erinnern.
Dabei geht es gerade nicht um (partei-)politische Agitation, sondern darum, Menschen die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu artikulieren im Medium des Schreibens. Natürlich wissen wir, dass man Frieden nicht herbeischreiben kann. Aber vielleicht stärkt das Schreiben über Frieden das Bewusstsein der Fragilität von Frieden und fördert das Wissen um die Notwendigkeit sich dafür einzusetzen.
Haben Sie in den ganzen Aktionen und Veranstaltungen einen Teilnehmer/Beitrag o.ä. der besonders hervorgestochen ist und Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Jeder Beitrag ist auf seine Weise besonders. Es werden zwar häufig Preise vergeben bei den Wettbewerben. Aber es sind vor allem Tendenzen, die bemerkenswert sind: Im Corona-Heft etwa wird deutlich, dass vor allem Kinder geradezu eine Hass auf das Virus entwickeln, während bei Erwachsenen häufig eine Tendenz zu beobachten ist, die zeigt, dass die Lockdowns durchaus auch als Zeiten des Nachdenkens erlebt wurden.
Wie entscheiden Sie die Themen der Events?
Aufgrund von Hinweisen unserer Mitglieder, Beachtung der aktuellen Ereignisse und per Beschluss im Vorstand.
Was bedeutet Handschrift für Sie persönlich? Und für unsere Gesellschaft?
Für mich gehört das Schreiben mit der Hand zur täglichen Routine. Es sind meine to do Listen, die ich aufschreibe und dann gar nicht mehr brauche, weil ich Sie bereits verinnerlicht habe. Oder klassisch der Einkaufszettel. An einen Tag ohne Handschrift kann ich mich gar nicht entsinnen. Das ist die praktische Seite der Handschrift.
Und dann gibt es noch die emotionale Seite der Handschrift. Die Zeit, die ich mir für jemanden nehme, wenn ich ihm eine Karte zum Geburtstag schreibe oder vor allem, wenn ich jemandem schreibe, der einen lieben Menschen verloren hat. Ich denke gerade in dieser Verlustsituation ist das mit der Hand geschriebene Wort nicht durch digitale Formate ersetzbar.
Für die jüngere Generation ist es sicherlich anders. Da ist der Griff zum Handy viel näher als der Griff zu Papier und Stift. Aber auch Jugendlichen ist klar, dass die Handschrift im zwischenmenschlichen Bereich einen ganz anderen Stellenwert hat als die digitale Kommunikation. Da ist die emotionale Ebene eine viel tiefere.
Hand aufs Herz, schreiben Sie viel per Hand? Postkarten, Briefe etc.?
Ja, sehr ausgeprägt sogar. Außerdem lässt sich an zahlreichen Veröffentlichungen in Funk und Presse beobachten, dass es eine Renaissance des Schreibens mit der Hand gibt. Es geht nicht nur um die emotionale Ebene zwischen zwei Menschen sondern eben auch um die emotionale Verbindung zu sich selbst. In vielen Lebenslagen kann das Schreiben mit der Hand zur Selbstreflexion und zur Ausgeglichenheit führen und dazu beitragen mit sich und seinen Lebensumständen ins Reine zu kommen. Das ist sicherlich auch der Grund, warum viele Menschen bei unseren zwei Wettbewerben zum Thema „Corona“ mitgemacht haben.
Was sind Ihre Zukunftsplanungen mit der Initiative Schreiben?
Wir möchten das Schreiben mit der Hand wieder mehr in die Öffentlichkeit holen und dazu beitragen, dass das Image der Handschrift modern und durchaus auch zeitgemäß ist. Mit Aktionen wie der Langen Nacht des Schreibens sollen die Menschen zum Mitmachen angeregt werden und wieder erkennen, dass das Schreiben mit der Hand etwas Schönes und geistig Anregendes ist und für einen persönlich viele positive Momente hervorbringt.
Blick in die Zukunft: Glauben Sie, dass die Kinder in der Schule in 50 Jahren noch das Schreiben per Hand lernen oder wird das Schreibenlernen zukünftig nur noch am Computer stattfinden? Es gibt ja auch Pads, auf denen einfach per Hand geschrieben und die Schrift automatisch in Text umgewandelt wird. Was halten Sie von solchen Lösungen? Können Sie ein Ersatz für Papier sein?
Wir gehen davon aus, dass Handschrift auch in Zukunft von Schülerinnen und Schülern noch gelernt wird. Dazu bedarf es allerdings einer Bewusstmachung der speziellen Fähigkeiten, die das Schreiben mit der Hand mit sich bringt. Gleichzeitig wird es darum gehen, den Kindern eine leicht zu schreibende Form der Schreibschrift zu vermitteln. Tendenziell zeigt sich, dass der Beginn mit einer unverbundenen Schrift, also den Druckbuchstaben, eher weniger hilfreich ist.
Der Vorteil von Papier und Stift liegt auf der Hand: Man braucht nur das, keinen Strom, kein Gerät. Und was so entsteht ist auch in 100 Jahren unabhängig von diversen Datei-Formaten noch lesbar.
Zugleich wissen wir natürlich, dass sowohl das Tippen auf dem PC wie das Schreiben auf Smartphone oder Tablet ungeheuer verbreitet ist. Wir gehen deswegen von einer Art „Bilingualität“ aus: Das Schreiben mit der Hand auf Papier wird sich nicht erledigen. Dazu ist es zu einfach. Aber es bleibt natürlich auch beim Tippen und Schreiben mit entsprechenden Stiften auf Screens. Gerade das letzte kann ein Weg sein, die Vorteile der Handschrift (Verarbeitung und Strukturierung von Gedanken, Entwicklung entsprechender psychomotorischer Fähigkeiten) mit der Digitalität zu verbinden.
Dennoch bleiben Stift und Papier ein unaufgebbares Mittel für Notizen und auch Mitteilungen. Ein Liebesbrief auf WhatsApp ist eben doch nicht das Gleiche wie ein Liebesbrief, der einen auf Papier erreicht.
- 15.Mai.2023
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